Hydrochlorothiazid (H 48)

(s. auch Musterfachinformation des BfArM, 6. 4. 2009 – Hydrochlorothiazid)

Gegenanzeige

a Überempfindlichkeit gegen andere Thiazide od. Sulfonamide
b Schwere Nierenfunktionsstörungen (Niereninsuffizienz mit Oligurie od. Anurie; Kreatinin-Clearance <30 ml/Minute u./od. Serum-Kreatinin >1,8 mg/100 ml)
c Akute Glomerulonephritis
d Koma u. Präkoma hepaticum
e Hypokaliämie
f Hyponatriämie
g Hypovolämie od. Dehydratation
h Hypercalcämie
i Gicht

Anwendungsbeschränkungen

a Hypotonie
b Zerebrovaskuläre Durchblutungsstörungen
c Koronare Herzkrankheit
d Manifester od. latenter Diabetes mellitus (regelmäßige Blutzuckerkontrolle)
e Niereninsuffizienz bei einem Serum-Kreatinin von 1,1–1,8 mg/100 ml bzw. leichter Einschränkung der Kreatinin-Clearance (30–60 ml/Minute)
f Eingeschränkte Leberfunktion
g Kinder u. Jugendliche (keine ausreichenden Erfahrungen)

Schwangerschaft

Es liegen nur begrenzte Erfahrungen mit der Anwendung in der Schwangerschaft vor, insbes. während des 1. Trimenons. Ergebnisse aus Tierstudien sind unzureichend. Hydrochlorothiazid ist plazentagängig. Auf Grund des pharmakologischen Wirkmechanismus kann es bei Anwendung während des 2. u. 3. Trimenons zu einer Störung der feto-plazentaren Perfusion u. zu fetalen u. neonatalen Auswirkungen wie Ikterus, Störung des Elektrolythaushalts u. Thrombozytopenien kommen. Aufgrund des Risikos eines verringerten Plasmavolumens u. einer plazentaren Hypoperfusion, ohne den Krankheitsverlauf günstig zu beeinflussen, sollte Hydrochlorothiazid bei Schwangerschaftsödemen, Schwangerschaftshypertonie od. einer Präeklampsie nicht zur Anwendung kommen. Bei essentieller Hypertonie schwangerer Frauen sollte Hydrochlorothiazid nur in den seltenen Fällen, in denen keine andere Behandlung möglich ist, angewendet werden.

Stillzeit

Hydrochlorothiazid geht in geringen Mengen in die Muttermilch über. Für Thiazid-Diuretika ist bekannt, dass sie die Laktation hemmen können. Das Stillen soll während der Behandlung unterbrochen werden.

Nebenwirkungen

Häufigkeitsangaben: sehr häufig: ≥10%, häufig: ≥1% bis <10%, gelegentlich: ≥0,1% bis <1%, selten: ≥0,01% bis <0,1%, sehr selten: <0,01%, Häufigkeit nicht bekannt
Haut a Toxische epidermale Nekrolyse (sehr selten)
(y) Allergische Haut- u. Schleimhautreaktionen (z. B. Pruritus, Erythem, Hautausschlag, photoallergisches Exanthem, Purpura, Urtikaria) (gelegentlich) (s. y allergische Reaktionen)
Muskel und Skelett (h) Muskelschmerzen, Muskelkrämpfe (z. B. Wadenkrämpfe) (s. h Hyponatriämie)
(j) Muskelschwäche, Paresen (s. j Hypokaliämie)
Kollagenosen b Kutaner Lupus erythematodes, kutane Lupus-erythematodes-artige Reaktionen, Reaktivierung eines kutanen Lupus erythematodes (Einzelfälle)
Nervensystem und Psyche c Depressionen, Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, Schwindel, Parästhesien (selten)
(h) Kopfdruck, Schläfrigkeit, Apathie, Verwirrtheitszustände, Nervosität (s. h Hyponatriämie)
(i) Konvulsionen, Benommenheit, Verwirrtheitszustände, Bewusstseinsstörungen bis zum Koma (s. i Dehydratation)
(j) Müdigkeit, Schläfrigkeit, Apathie, Bewusstseinsstörungen bis zum Koma (s. j Hypokaliämie)
Augen d Sehstörungen (z. B. verschwommenes Sehen, Xanthopsie), Einschränkung der Bildung von Tränenflüssigkeit (Kontaktlinsenträger!), Verschlechterung einer bestehenden Kurzsichtigkeit (gelegentlich)
Gastrointestinaltrakt e Appetitlosigkeit, Magen-Darm-Beschwerden (z. B. Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö, Obstipation, Schmerzen u. Krämpfe im Bauchraum) (häufig); Hyperamylasämie, Pankreatitis (gelegentlich)
(h) Mundtrockenheit, Durst (s. h Hyponatriämie)
(j) Adynamie der glatten Muskulatur mit Obstipation, Meteorismus, Subileus bis zum paralytischen Ileus (s. j Hypokaliämie)
Leber, Galle f Ikterus (selten); akute Cholezystitis bei vorbestehender Cholelithiasis (Häufigkeit nicht bekannt)
(y) Cholestatischer Ikterus (s. y allergische Reaktionen)
Elektrolyte, Stoffwechsel, Endokrinium g Störungen im Flüssigkeits- u. Elektrolythaushalt, insbes. Hypokaliämie u. Hyponatriämie, ferner Hypomagnesiämie, Hypochlorämie u. Hypercalcämie (insbes. bei eingeschränkter Nierenfunktion) (sehr häufig)
h Hyponatriämie bei hoher Dosierung (Symptome: Appetitlosigkeit, Mundtrockenheit u. Durst, Erbrechen, Kopfschmerzen bzw. Kopfdruck, Schwäche, Schwindel, Schläfrigkeit, Sehstörungen, Apathie, Verwirrtheitszustände, Nervosität, Muskelschmerzen od. Muskelkrämpfe (z. B. Wadenkrämpfe), Herzklopfen, Hypotonie, orthostatische Regulationsstörungen u. Synkopen)
i Dehydratation mit Hämokonzentration, selten Konvulsionen, Benommenheit, Verwirrtheitszustände, Bewusstseinsstörungen bis zum Koma, Kreislaufkollaps u. akutes Nierenversagen (bei exzessiver Diurese; infolge Hämokonzentration Thrombosen u. Embolien insbes. bei Venenerkrankungen od. älteren Pat.)
j Insbes. bei gleichz. verminderter Kaliumzufuhr u./od. erhöhten extrarenalen Kaliumverlusten (z. B. bei Erbrechen od. chronischer Diarrhö) Hypokaliämie mit neurologischer, neuromuskulärer, intestinaler, renaler u. kardialer Symptomatik (Müdigkeit, Schläfrigkeit, Apathie, Muskelschwäche, Parästhesien, Paresen, Übelkeit, Erbrechen, Adynamie der glatten Muskulatur mit Obstipation, Meteorismus, Polyurie, Polydipsie, Herzrhythmusstörungen, Reizbildungs- u. Reizleitungsstörungen am Herzen). Bei schweren Kaliumverlusten Subileus bis zum paralytischen Ileus od. Bewusstseinsstörungen bis zum Koma mögl. EKG-Veränderungen (Bradykardie od. andere Herzrhythmusstörungen) u. gesteigerte Glykosidempfindlichkeit können auftreten.
k Hypermagnesiurie (häufig), Hypomagnesiämie (gelegentlich)
l Entwicklung einer metabolischen Alkalose bzw. Verschlechterung einer bereits bestehenden Alkalose
m Hyperurikämie, Gichtanfälle (bei prädisponierten Pat.) (häufig)
n Hyperglykämie u. Glukosurie sowohl bei Stoffwechselgesunden als auch bei Pat. mit latentem od. manifestem Diabetes mellitus bzw. Kaliummangel (häufig). Verschlechterung der Stoffwechsellage bei manifestem Diabetes mellitus. Ein latenter Diabetes mellitus kann erkennbar werden.
o Erhöhung der Serumlipide (Cholesterin, Triglyceride) (häufig)
p Bei chronischem Diuretika-Abusus Pseudo-Bartter-Syndrom mit der Folge von Ödemen mögl. Die Ödeme sind Ausdruck eines Reninanstiegs mit der Folge eines sekundären Hyperaldosteronismus.
Herz, Kreislauf q Palpitationen (häufig); Herzrhythmusstörungen (selten)
r Orthostatische Regulationsstörungen od. Blutdruckabfall, insbes. bei Hypovolämie u. Dehydratation (z. B. bei Pat. mit schwerer Herzinsuffizienz od. unter hochdosierter Diuretika-Therapie) (gelegentlich)
(h) Herzklopfen, Hypotonie, Synkopen (s. h Hyponatriämie)
(i) Kreislaufkollaps (s. i Dehydratation)
(j) Reizbildungs- u. Reizleitungsstörungen am Herzen, EKG-Veränderungen (Bradykardie od. andere Herzrhythmusstörungen), gesteigerte Glykosidempfindlichkeit (s. j Hypokaliämie)
Gefäße s Vaskulitis (gelegentlich, in Einzelfällen nekrotisierende Vaskulitis)
(i) Thrombosen, Embolien (s. i Dehydratation)
(p) Ödeme (s. p Pseudo-Bartter-Syndrom)
Atemwege t Dyspnoe, akute interstitielle Pneumonie (gelegentlich); plötzlich auftretendes Lungenödem mit Schocksymptomatik (sehr selten; allergische Reaktion gegenüber Hydrochlorothiazid wird angenommen)
Blut u Thrombozytopenie (häufig); Leukopenie (gelegentlich); hämolytische Anämie, aplastische Anämie, Agranulozytose (sehr selten)
Urogenitaltrakt v Glukosurie (sehr häufig)
w Reversible Erhöhung der Serumkonzentrationen der harnpflichtigen stickstoffhaltigen Substanzen Kreatinin u. Harnstoff (häufig)
x Interstitielle Nephritis, Potenzstörungen (gelegentlich)
(i) Akutes Nierenversagen (s. i Dehydratation)
(j) Polyurie, Polydipsie (s. j Hypokaliämie)
Immunsystem y Allergische Reaktionen (gelegentlich): Haut- u. Schleimhautreaktionen, z. B. Pruritus, Erythem, Hautausschlag, photoallergisches Exanthem, Purpura, Urtikaria, selten akute interstitielle Nephritis, cholestatischer Ikterus, Vaskulitis, Blutbildveränderungen (s. Nebenwirk. u), gelegentlich Arzneimittelfieber
z Anaphylaktische od. anaphylaktoide Rektionen (z. B. mit Schock) (selten)

Wechselwirkungen

a Andere Diuretika, andere blutdrucksenkende Arzneimittel (z. B. Betarezeptorenblocker), Nitrate, Barbiturate, Phenothiazine, trizyklische Antidepressiva, Vasodilatatoren, Alkohol (a) Blutdrucksenkende Wirkung verstärkt
b ACE-Hemmer (z. B. Captopril, Enalapril) (b) Zu Behandlungsbeginn Risiko eines massiven Blutdruckabfalls bis zum Schock sowie Risiko einer Verschlechterung der Nierenfunktion, die selten zu einem akuten Nierenversagen führen kann. Eine Diuretikabehandlung sollte daher 2–3 Tage vor Beginn einer Therapie mit einem ACE-Hemmer abgesetzt werden, um die Möglichkeit einer Hypotonie zu Therapiebeginn zu vermindern.
c Nichtsteroidale Antiphlogistika (z. B. Indometacin, Acetylsalicylsäure), Salicylate, Phenytoin (c) Antihypertensive u. diuretische Wirkung von Hydrochlorothiazid vermindert. Bei der gleichz. Therapie mit hochdosierten Salicylaten kann die toxische Wirkung der Salicylate auf das zentrale Nervensystem durch Hydrochlorothiazid verstärkt werden. Bei Pat., die unter der Therapie mit Hydrochlorothiazid eine Hypovolämie od. Dehydratation entwickeln, kann die gleichz. Gabe von nichtsteroidalen Antiphlogistika ein akutes Nierenversagen auslösen.
d Betarezeptorenblocker (d) Erhöhtes Risiko für das Auftreten einer Hyperglykämie
e Insulin, orale Antidiabetika, harnsäuresenkende Arzneimittel, gefäßverengende Arzneimittel (z. B. Epinephrin, Norepinephrin) (e) Wirkung dieser Substanzen abgeschwächt
f Herzwirksame Glykoside (f) Bei einer sich unter der Behandlung entwickelnden Hypokaliämie u./od. Hypomagnesiämie ist die Empfindlichkeit des Myokards gegenüber herzwirksamen Glykosiden erhöht. Wirkungen u. Nebenwirk. der herzwirksamen Glykoside können verstärkt werden.
g Arzneimittel, die ein Syndrom des verlängerten QT-Intervalls verursachen können (z. B. Terfenadin, einige Antiarrhythmika der Klassen I u. III) (g) Erhöhtes Risiko von Herzrhythmusstörungen (Kammerarrhythmien inkl. Torsade de pointes) bei Vorliegen von Elektrolytstörungen
h Kaliuretische Diuretika (z. B. Furosemid), Glucocorticoide, ACTH, Carbenoxolon, Penicillin G, Salicylate, Amphotericin B od. Laxanzien (h) Verstärkte Kaliumverluste
i Zytostatika (z. B. Cyclophosphamid, Fluorouracil, Methotrexat) (i) Verstärkte Knochenmarkstoxizität (insbes. Granulozytopenie)
j Lithium (j) Verstärkung der kardio- u. neurotoxischen Wirkung des Lithiums durch verminderte Lithiumausscheidung (Lithiumspiegel sorgfältig überwachen)
k Andere Diuretika (k) Verstärkte Diurese, verstärkter Blutdruckabfall
l Muskelrelaxanzien vom Curare-Typ (l) Wirkung der Muskelrelaxanzien verstärkt od. verlängert. Für den Fall, dass Hydrochlorothiazid vor der Anwendung peripherer curareartiger Muskelrelaxanzien nicht abgesetzt werden kann, muss der Narkosearzt über die Behandlung informiert werden.
m Colestyramin, Colestipol (m) Verminderte Resorption von Hydrochlorothiazid
n Methyldopa (n) In Einzelfällen Hämolysen durch Bildung von Antikörpern gegen Hydrochlorothiazid
o Allopurinol (o) Erhöhtes Risiko für das Auftreten von Überempfindlichkeitsreaktionen auf Allopurinol
p Amantadin (p) Erhöhtes Risiko für das Auftreten von unerwünschten Wirkungen des Amantadin
q Calciumsalze (q) Erhöhte Serum-Calciumspiegel aufgrund verminderter Calciumausscheidung (Calciumspiegel sorgfältig überwachen u. ggf. Dosierung anpassen)
r Vitamin-D-Ergänzungspräparate (r) Erhöhte Serum-Calciumspiegel aufgrund verminderter Calciumausscheidung
s Ciclosporin (s) Erhöhtes Risiko für das Auftreten einer Hyperurikämie u. Gicht-ähnlichen Symptomen
t Carbamazepin (t) Anstieg des Serum-Natriumspiegels (regelmäßige Kontrolle)
u Chinidin (u) Verminderung der Chinidinausscheidung

Intoxikationen

Das klinische Bild bei akuter od. chronischer Überdosierung ist vom Ausmaß des Wasser- u. Elektrolytverlustes (Hypokaliämie, Hyponatriämie, Hypochlorämie) abhängig. Eine Überdosierung kann bei ausgeprägten Flüssigkeits- u. Natriumverlusten zu Durst, Schwäche- u. Schwindelgefühl, Muskelschmerzen u. Muskelkrämpfen (z. B. Wadenkrämpfe), Kopfschmerzen, Tachykardie, Hypotonie u. orthostatischen Regulationsstörungen führen. Infolge Hypovolämie u. Dehydratation kann es zur Hämokonzentration mit Thromboseneigung, zu Konvulsionen, Benommenheit, Lethargie, Verwirrtheitszuständen, Kreislaufkollaps, Bewusstseinsstörungen bis zum Koma od. zu einem akuten Nierenversagen kommen. Bei raschen Wasser- u. Elektrolytverlusten können delirante Zustandsbilder auftreten. Selten tritt ein anaphylaktischer Schock (Symptome: u. a. Schweißausbruch, Übelkeit, Zyanose, starker Blutdruckabfall, Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma) ein. Infolge einer Hypokaliämie kann es zu Müdigkeit, Muskelschwäche, Parästhesien, Paresen, Apathie, Meteorismus, Obstipation u. zu Herzrhythmusstörungen kommen. Schwere Kaliumverluste können zu einem paralytischen Ileus od. zu Bewusstseinsstörungen bis zum hyopkaliämischen Koma führen. Bei gleichz. Digitalisgabe können Arrhythmien durch eine eventuelle Hypokaliämie verstärkt werden.
Therapie
Bei Anzeichen einer Überdosierung Behandlung umgehend absetzen. Bei nur kurzer Zeit zurückliegender Einnahme kann durch Maßnahmen der primären Giftelimination (induziertes Erbrechen, Magenspülung) od. resorptionsmindernde Maßnahmen (medizinische Kohle) versucht werden, die systemische Aufnahme von Hydrochlorothiazid zu vermindern. Neben der Überwachung der vitalen Parameter unter intensivmedizinischen Bedingungen müssen wiederholt Kontrollen des Wasser- u. Elektrolythaushalts, des Säure-Basen-Haushalts, des Blutzuckers u. der harnpflichtigen Substanzen durchgeführt werden u. die Abweichungen ggf. korrigiert werden. Ein spezifisches Antidot gegen Hydrochlorothiazid ist nicht bekannt. Therapeutische Maßnahmen bei:
  • Hypovolämie,
  • Hyponatriämie: Natrium- u. Volumensubstitution
  • Hypokaliämie: Kaliumsubstitution
  • Kreislaufkollaps: Schocklagerung, falls nötig Schocktherapie.
Bei therapierefraktärer Bradykardie sollte eine temporäre Schrittmachertherapie durchgeführt werden.
Präparate (9)
Acercomp® Tabletten
Lisinopril, Hydrochlorothiazid
RL
Delix® 2,5 plus/-5 plus Tabletten
Ramipril, Hydrochlorothiazid
RL FI
Karvezide® Filmtabletten
Hydrochlorothiazid, Irbesartan
FI
Triampur compositum Tabletten
Hydrochlorothiazid, Triamteren
FI