Lithiumsalze (in höherer Dosierung, z. B. in der Psychiatrie) (L 45)

(s. auch Fachinformationen bis Oktober 2010)

Gegenanzeige

a Akutes Nierenversagen
b Akuter Herzinfarkt
c Ausgeprägte Hyponatriämie

Anwendungsbeschränkungen

a Nierenfunktionsstörungen
b Herzinsuffizienz
c Schilddrüsenunterfunktion
d Morbus Addison
e Myasthenia gravis
f Myeloische Leukämie
g Psoriasis
h Erkrankungen, die eine kochsalzarme Diät erfordern
i Herzrhythmusstörungen
j Zerebrale Krampfleiden
k Störungen im Natriumhaushalt
l Dehydratation
m Kinder <12 J. (keine Daten zu Sicherheit u. Wirksamkeit)

Schwangerschaft

Strenge Indikationsstellung. Erhöhtes Fehlbildungs- u. Komplikationsrisiko. Sorgfältige Dosisanpassung vornehmen u. die Serumkonzentrationen von Lithium, die im Tagesverlauf auf gleichbleibend niedrigem Niveau liegen sollen, engmaschig kontrollieren. In der Woche vor der Geburt, Dosis um 30–50% reduzieren u. bei Beginn der Wehentätigkeit vollständig absetzen, um eine Erhöhung des Lithiumspiegels aufgrund der geburtsbedingten Veränderungen im Wasser- u. Elektrolythaushalt zu vermeiden.

Stillzeit

Strenge Indikationsstellung. Lithium geht in die Muttermilch über. Bei Einnahme von Lithium nach der Geburt, Muttermilch in den ersten zwei Lebenswochen abpumpen u. verwerfen. Beim Säugling auf Vergiftungssymptome wie Hypotonie, Zyanose, Lethargie u. EKG-Veränderungen achten. Serumlithiumkonzentration kontrollieren u. Dehydratation unbedingt vermeiden.

Nebenwirkungen

Häufigkeitsangaben: sehr häufig: ≥10%, häufig: ≥1% bis <10%, gelegentlich: ≥0,1% bis <1%, selten: ≥0,01% bis <0,1%, sehr selten: <0,01%, Häufigkeit nicht bekannt
Haut a Alopezie, Follikulitiden, Pruritus, Exazerbationen von Psoriasis, Hautausschläge u. andere Zeichen von Überempfindlichkeit (sehr selten)
b Akneiforme Dermatosen (sehr selten)
c Quincke-Ödem (sehr selten)
Muskel und Skelett d Myasthenia gravis (selten)
e Muskelschwäche, Myalgie, Arthralgie (Häufigkeit nicht bekannt)
Nervensystem und Psyche f Feinschlägiger Tremor (zu Beginn)
g Tremor, Faszikulationen, unwillkürliche Bewegungen der Extremitäten, Ataxie, choreoathetotische Bewegungen, extrapyramidalmotorische Symptome, Synkopen, Krampfanfälle, verwaschene Sprache, Koordinationsstörungen, Kopfschmerzen, Schwindel, Benommenheit, Somnolenz, Stupor, Koma, Gedächtnisverlust, Pseudotumor cerebri, Halluzinationen (Häufigkeit nicht bekannt)
h Hyperaktive Sehnenreflexe (Häufigkeit nicht bekannt)
Augen i Nystagmus, Gesichtsfeldausfälle, verschwommenes Sehen (Häufigkeit nicht bekannt)
Geschmack j Geschmacksstörungen (Häufigkeit nicht bekannt)
Gastrointestinaltrakt k Polydipsie (zu Beginn)
l Übelkeit (auch zu Beginn)
m Anorexie, Erbrechen, Diarrhö, Gastritis, Mundtrockenheit, exzessive Speichelproduktion (Häufigkeit nicht bekannt)
Elektrolyte, Stoffwechsel, Endokrinium n Gewichtszunahme (dosisabhängig, häufig)
o Hyperthyreosen (selten), euthyreote Struma, Hypothyreosen, Hyperparathyreoidismus, Hyperglykämie, Hyperkalzämie (Häufigkeit nicht bekannt)
p (Initial) Natrium- u. Kaliumverlust durch die verminderte Natrium- u. Kaliumreabsorption an den renalen Tubuli (Na-K-Konzentration sollte innerhalb einer Woche auf das Ausgangsniveau zurückkehren)
Herz, Kreislauf q Arrhythmien (meist Bradykardie aufgrund von Sinusknotendysfunktion), Kreislaufversagen (selten)
r EKG-Veränderungen (z. B. reversible Kurvenabflachung u. T-Wellenumkehr) (selten)
Gefäße s Raynaud-Syndrom, Hypotonie (selten)
t Ödeme (selten)
Blut u Leukozytose (Häufigkeit nicht bekannt)
Urogenitaltrakt v Polyurie (zu Beginn)
w Symptome eines nephrogenen Diabetes insipidus (z. B. Polyurie, Polydipsie), Harninkontinenz (Häufigkeit nicht bekannt)
x Morphologische Nierenveränderungen (z. B. interstitielle Fibrosen, bei Langzeitbehandlung) (Häufigkeit nicht bekannt)
y Impotenz/sexuelle Dysfunktion (Häufigkeit nicht bekannt)

Wechselwirkungen

a Diuretika (Thiazide, kaliumsparende-, Schleifendiuretika) (a) Erhöhung des Lithiumspiegels, Thiazide: paradoxer antidiuretischer Effekt, kann zu Wasserretention u. Lithiumintoxikation führen
b Osmotisch wirkende Diuretika, Carboanhydrase-Inhibitoren einschl. Azetazolamid (b) Erniedrigung des Lithiumspiegels
c Antiepileptika (z. B. Phenytoin, Carbamazepin), Methyldopa, trizyklische Antidepressiva (c) Erhöhung des Lithiumspiegels, Gefahr von Neurotoxizität
d Neuroleptika, z. B. Haloperidol, Thioridazin, Antidepressiva (d) Gehäuftes Auftreten von unerwünschten Wirkungen, vor allem bei höheren Dosierungen auf Nebenwirk. der Arzneimittel achten.
e Substanzen, die den Serotonin-Stoffwechsel beeinflussen können (MAO-Hemmer, selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, 5-HT-Agonisten) (e) Serotonin-Syndrom mögl.
f Harnstoff, Xanthinpräparate (z. B. koffeinhaltige Getränke, theophyllinhaltige Antiasthmatika; durchblutungsfördernde Mittel wie Pentoxyfyllin, Xantinolnicotinat) u. alkalisierende Substanzen (z. B. NaHCO3) (f) (wie b)
g Neuromuskulär blockierende Substanzen (z. B. Pancuroniumbromid, Suxamethoniumchlorid) (g) Verlängerung der Wirkung durch Lithium
h Kaliumiodid (h) Verstärkung eines mögl. strumigenen Effekts des Lithiums mögl.
i Metronidazol; nichtsteroidale Antirheumatika (z. B. Indometacin), ACE-Hemmer (z. B. Captopril, Enalapril) (i) Erhöhung der Lithiumserumkonzentration, kann zu Lithiumtoxizität führen
j Tetracycline (j) Erhöhung/Erniedrigung der Lithiumserumkonzentration mögl.
k Calciumantagonisten (z. B. Diltiazem, Verapamil) (k) (wie c)

Intoxikationen

Die Lithiumtoxizität korreliert mit dem Serumlithiumspiegel. Im Allgemeinen treten Intoxikationen bei Serumlithiumspiegeln von 1,5 mmol/l, verstärkt bei >2,0 mmol/l, auf, können aber bei empfindlichen Patienten bereits bei normalen od. bei geringen Erhöhungen des Serumlithiumspiegels auftreten. Warn- und Initialsymptome einer Lithiumvergiftung: Polyurie, Polydipsie od. Durchfall, Erbrechen, Dehydratation, Muskelschwäche, erhöhter Muskeltonus, unfreiwillige Muskelzuckungen, Müdigkeit, Koordinations-, Konzentrations- u. Artikulationsstörungen, Verwirrtheit, Somnolenz, Nystagmus, Tremor, Hyperreflexie. Bei höheren Serumlithiumspiegeln: Tinnitus, verschwommenes Sehen, Ataxie, Apathie, evtl. kardiovaskuläre (Herzrhythmusstörungen, Kreislaufkollaps) u. renale Störungen (in seltenen Fällen ein akutes Nierenversagen); in besonders schweren Fällen kann es zum zerebralen Anfall, zum Koma u. zum tödlichen Ausgang kommen.
Therapie
Bei den ersten Anzeichen einer Intoxikation Lithium absetzen. Es gibt kein Antidot. Die Therapie einer Intoxikation sollte stationär durchgeführt werden. Regelmäßige Kontrollen der Lithiumkonzentration z. B. im Abstand von 6 Stunden (der Serumlithiumspiegel sollte innerhalb dieser Zeit um ca. 20% u. nach 24 Stunden auf die Hälfte abfallen). Neben EEG- u. EKG-Kontrollen, Überwachung der Nierenfunktion sowie einer Infektionsprophylaxe ist eine symptomatische Therapie mit Flüssigkeits- u. Elektrolytzufuhr (Na+-Infusion!) angezeigt (Gabe von natriuretischen Diuretika vermeiden!). Falls der Serumlithiumspiegel nicht rasch genug abfällt (z. B. durch Ausscheidungsstörungen), der Allgemeinzustand des Patienten schlecht ist u./od. der Serumlithiumspiegel bei 3 mmol/l od. höher liegt empfiehlt sich eine Hämodialyse od. – wenn keine Möglichkeit dazu besteht – eine Peritonealdialyse

Warnhinweise

a Lithiumsalze 48 Stunden vor einer Narkose od. Operation absetzen. Es kann anschließend sofort wieder verabreicht werden, wenn die Nierenfunktion u. der Elektrolythaushalt normal sind.
b Lithiumsalze 48 Stunden vor einer Elektrokrampftherapie absetzen, um die Gefahr eines Delirs zu reduzieren.
c Da im Alter die glomeruläre Filtrationsrate abnimmt u. damit die Gefahr einer Intoxikation größer wird, ist bei älteren Patienten eine häufigere Kontrolle der Nierenfunktion notwendig.

Hinweise

Gründliche körperliche Untersuchung zu Beginn u. sorgfältige Überwachung des Patienten während der Behandlung. Folgende Untersuchungen sind durchzuführen: Serumlithiumspiegel: nach 8 Tagen bestimmen, während des ersten Monats einmal wöchentlich wiederholen, danach im ersten halben Jahr einmal monatlich u. später vierteljährlich. Längere Zwischenräume nur in Ausnahmefällen. Bestimmung des Serumlithiumspiegels möglichst genau 12 Stunden nach der letzten Lithiumgabe. Serumkreatinin: parallel zur Bestimmung der Lithiumkonzentration. T3, T4, TSH: jährliche Bestimmung ggf. TRH-Test. Natrium-, Kalium-, Kalziumbestimmung, Blutbild: jährlich. Körpergewicht u. Halsumfang: vierteljährlich. Blutdruckmessung. EKG: jährlich. EEG: bedarfsweise, bzw. bei Gefahr von Wechselwirk. bei Komb.-behandlung (z. B. mit Neuroleptika). 24-Stunden-Urinvolumen, Kreatinin-Clearance: jährlich. Urinanalyse ggf. Überprüfung der renalen Konzentrationsleistung (Desmopressin-Test).
Präparate (1)