Morphin (M 45)

(s. auch Fachinformationen bis Mai 2013)

Gegenanzeige

a Ileus
b Akutes Abdomen
Injektions-, Infusionslösung zusätzlich:
c Atemdepression
d Schwere chronisch obstruktive Atemwegserkrankungen
e Gerinnungsstörungen u. Infektionen im Injektionsgebiet bei intrathekaler od. epiduraler Anwendung

Anwendungsbeschränkungen

a Abhängigkeit von Opioiden
b Bewusstseinsstörungen
c Krankheitszustände, bei denen eine Störung des Atemzentrums u. der Atemfunktion vorliegt od. vermieden werden muss
d Cor pulmonale
e Zustände mit erhöhtem Hirndruck, wenn nicht eine Beatmung durchgeführt wird
f Hypotension bei Hypovolämie
g Prostatahyperplasie mit Restharnbildung (Gefahr der Blasenruptur durch Harnverhalten)
h Harnwegsverengungen od. Koliken der Harnwege
i Gallenwegserkrankungen
j Obstruktive u. entzündliche Darmerkrankungen
k Phäochromozytom
l Pankreatitis
m Hypothyreose
n Epileptische Anfallsleiden od. erhöhte Neigung zu Krampfanfällen
o Prä-, intra- (Injektions-, Infusionslsg.) u. postoperative Anwendung (Retardtbl., Retardkps., Retardgranulat: innerhalb von 24 Stunden) (höheres Risiko eines Ileus od. einer Atemdepression gegenüber Nichtoperierten)
p Nebennierenrindeninsuffizienz, z. B. Morbus Addison (Plasmakortisolkonzentration kontrollieren u. ggf. Kortikoide substituieren)
q Männer u. Frauen im zeugungs- bzw. gebärfähigen Alter (sicherer Konzeptionsschutz)
r Intrathekale u. epidurale Anwendung bei gleichz. bestehenden Vorerkrankungen des Nervensystems u. bei gleichz. Gabe von Glukokortikoiden

Schwangerschaft

Strenge Indikationsstellung. Morphin passiert die Plazentaschranke. Es liegen keine ausreichenden Daten zur Bewertung eines möglichen teratogenen Risikos vor. Über einen möglichen Zusammenhang mit einer erhöhten Häufigkeit von Leistenbrüchen wurde berichtet. Tierversuche zeigten ein Schädigungspotential für die Nachkommen während der gesamten Dauer der Trächtigkeit (ZNS-Missbildungen, Wachstumsretardierung, Testisatrophie, Veränderungen bei Neurotransmittersystemen u. Verhaltensweisen, Abhängigkeit). Wegen der mutagenen Eigenschaften sollte bei Männern u. Frauen im zeugungs- u. gebärfähigen Alter eine wirksame Verhütung sichergestellt sein. Bei Neugeborenen wurden Entzugserscheinungen nach längerer Morphinanwendung während der Schwangerschaft beschrieben. Morphin kann die Dauer der Wehentätigkeit verlängern od. verkürzen. Neugeborene, deren Mütter während der Entbindung Opioidanalgetika erhalten, sollten auf Anzeichen einer Atemdepression od. Entzugssyndrom überwacht u. ggf. mit einem spezifischen Opioidantagonisten behandelt werden.

Stillzeit

Strenge Indikationsstellung. Morphin wird in die Muttermilch ausgeschieden u. erreicht dort höhere Konzentrationen als im mütterlichen Plasma. Beim Säugling können klinisch relevante Konzentrationen erreicht werden.

Nebenwirkungen

Häufigkeitsangaben: sehr häufig: ≥10%, häufig: ≥1% bis <10%, gelegentlich: ≥0,1% bis <1%, selten: ≥0,01% bis <0,1%, sehr selten: <0,01%, Häufigkeit nicht bekannt
Haut a Schwitzen (häufig), Gesichtsrötungen
b Reaktivierung von Herpes-labialis-Infektionen (bei epiduraler u. intrathekaler Anwendung, gelegentlich)
c Hautausschläge wie Exantheme u. periphere Ödeme (reversibel nach Absetzen) (sehr selten)
(2.) Überempfindlichkeitsreaktionen wie Urtikaria, Pruritus (s. 2. Immunsystem)
Muskel und Skelett d Muskelkrämpfe, Muskelstarre (sehr selten)
Nervensystem und Psyche e Stimmungsveränderungen, meist Euphorie, auch Dysphorie (sehr häufig)
f Kopfschmerzen, Schwindel, Veränderungen der Aktiviertheit (meist Dämpfung, auch Steigerung od. Erregungszustände), Schlaflosigkeit u. Veränderungen der kognitiven u. sensorischen Leistungsfähigkeit (z. B. Denkstörungen, Wahrnehmungsstörungen/Halluzinationen, Verwirrtheit) (häufig)
g Entzugserscheinungen (selten), Toleranzentwicklung
h Abhängigkeit (sehr selten)
i Tremor, unwillkürliches Muskelzucken (insbes. bei epiduraler od. intrathekaler Gabe), epileptische Krampfanfälle, Verminderung der Libido, Potenzschwäche, Asthenie (sehr selten)
j Atemdämpfung, Sedierung im unterschiedlichen Ausmaß von leichter Müdigkeit bis Benommenheit (dosisabhängig)
k Hyperalgesie, Allodynie insbes. bei hoher Dos. (kein Ansprechen auf Dosiserhöhung; ggf. Dosisreduktion od. Opioidrotation erforderlich!)
l Schwerwiegende neurologische Symptome wie Paresen (z. B. durch Granulombildung im Bereich der Katheterspitze), verspätete Atemhemmung (bis zu 24 Stunden) (bei epiduraler u. intrathekaler Anwendung, sehr selten)
Augen m Verschwommenes Sehen, Doppeltsehen, Augenzittern (sehr selten), Miosis
Geschmack n Geschmacksveränderungen (häufig)
Gastrointestinaltrakt o Erbrechen (insbes. zu Behandlungsbeginn), Appetitlosigkeit, Dyspepsie (häufig), Darmverschluss, Bauchschmerzen (sehr selten)
p Verstopfung (bei Dauerbehandlung), Übelkeit u. Mundtrockenheit (dosisabhängig)
Leber, Galle q Gallenkoliken (selten)
r Erhöhung leberspezifischer Enzyme (sehr selten)
Stoffwechsel, Endokrinium s Erhöhung der Pankreasenzyme bzw. Pankreatitis (selten)
t Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion (SIADH; Leitsymptom: Hyponatriämie) (sehr selten)
u Amenorrhö (sehr selten)
Herz, Kreislauf v Abfall/Anstieg von Blutdruck u. Herzfrequenz (gelegentlich)
w Herzklopfen, allgemeine Schwäche bis zum Ohnmachtsanfall u. Herzversagen
Atemwege x Bronchospasmen (selten), Dyspnoe (sehr selten)
y Nicht-kardiogen bedingte Lungenödeme bei Intensivpatienten
Urogenitaltrakt z Störungen bei der Blasenentleerung (häufig)
1. Nierenkoliken (selten)
Immunsystem 2. Überempfindlichkeitsreaktionen wie Urtikaria, Pruritus (häufig)
3. Anaphylaktische od. anaphylaktoide Reaktionen
Sonstiges 4. Unwohlsein, Schüttelfrost, Zahnveränderungen (sehr selten)

Wechselwirkungen

a Andere zentral dämpfende Arzneimittel wie Tranquilizer, Anästhetika, Hypnotika u. Sedativa, Neuroleptika, Barbiturate, Antidepressiva, Antihistaminika/Antiemetika u. andere Opioide od. Alkohol (a) Verstärkung der Nebenwirk. von Morphin, insbes. Atemdepression, Sedierung, Hypotonie od. auch Koma
b Arzneimittel mit anticholinerger Wirkung (z. B. Psychopharmaka, Antihistaminika, Antiemetika, Arzneimittel bei Morbus Parkinson) (b) Verstärkung der anticholinergen Nebenwirk. von Opioiden (z. B. Obstipation, Mundtrockenheit od. Störungen beim Wasserlassen)
c Cimetidin u. andere den Leberstoffwechsel belastende Arzneimittel (c) Erhöhte Plasmakonzentration von Morphin durch Hemmung des Abbaus
d Muskelrelaxanzien (d) Wirkungsverstärkung dieser Stoffe
e Bestimmte Antidepressiva (MAO-Hemmer) innerhalb der letzten 14 Tage vor Opioid-Anwendung (e) Lebensbedrohliche Wechselwirk. auf ZNS, Atmungs- u. Kreislauffunktion möglich
f Rifampicin (f) Abschwächung der Morphinwirkung

Intoxikationen

Da die Empfindlichkeit auf Morphin individuell stark schwankt, können Intoxikationserscheinungen beim Erwachsenen ab Einzeldosen auftreten, die einer subkutanen u. intravenösen Gabe von ca. 30 mg entsprechen. Bei Karzinompatienten werden diese Werte oft ohne gravierende Nebenwirkungen überschritten. Eine Opioidvergiftung äußert sich durch die Trias: Miosis, Atemdepression u. Koma: Die Pupillen sind stecknadelkopfgroß, bei starker Hypoxie dilatieren sie. Die Atmung ist stark reduziert (bis auf 2–4 Atemzüge pro Minute). Der Patient wird zyanotisch. Überdosierung mit Morphin führt zu Benommenheit u. Stupor bis zum Koma. Der zunächst normale Blutdruck fällt bei fortschreitender Intoxikation rapide ab, Übergang in Schockzustand ist möglich. Tachykardie, Bradykardie u. Rhabdomyolyse können auftreten. Abfall der Körpertemperatur, Relaxation der Skelettmuskulatur, gelegentlich, insbes. bei Kindern, generalisierte Krämpfe. Der Tod tritt meist durch Ateminsuffizienz od. durch Komplikationen wie z. B. pulmonales Ödem ein.
Therapie
Bei bewusstlosen Patienten mit Atemstillstand ist Beatmung, Intubation u. Gabe eines Opiatantagonisten (z. B. 0,4 mg Naloxon i.v.) angezeigt. Bei anhaltender Ateminsuffizienz muss die Einzeldosis 1- bis 3-mal in dreiminütigen Abständen wiederholt werden, bis die Atemfrequenz normalisiert ist u. der Patient auf Schmerzreize reagiert. Strenge Überwachung (mindestens 24 Stunden) ist notwendig, da die Wirkung des Opiatantagonisten kürzer ist als die des Morphins, sodass mit einem erneuten Auftreten der Ateminsuffizienz gerechnet werden muss. Die Dosis des Opiatantagonisten bei Kindern pro Einzeldosis beträgt 0,01 mg pro kg Körpergewicht. Ferner können Maßnahmen zum Schutz vor Wärmeverlusten u. zur Volumentherapie erforderlich sein.

Warnhinweise

Patienten unter intrathekaler od. epiduraler Dauertherapie im Rahmen der Pumpenkontrolle auf Frühzeichen von Katheterspitzengranulom kontrollieren (z. B. Minderung der analgetischen Wirkung, unerwartete Schmerzzunahme, neurologische Symptome), um das Risiko möglicherweise irreversibler neurologischer Komplikationen zu minimieren.

Hinweise

a Aufgrund der analgetischen Wirkung von Morphin können schwerwiegende intraabdominelle Komplikationen wie z. B. eine Darmperforation maskiert werden.
b Das Absetzen nach wiederholter Anwendung od. Applikation eines Opiatantagonisten kann ein Entzugssyndrom auslösen. Bei bestimmungsgemäßer Anwendung bei chronischen Schmerzpatienten ist das Risiko psychischer Abhängigkeit deutlich reduziert bzw. differenziert zu bewerten.